31.8.2023

Langsamkeit - Sprit für die Seele

Weiß ich um die Bedeutsamkeit von Langsamkeit? Absolut. Vergesse ich manchmal innezuhalten und Mal wirklich  l a n g s a m  zu machen? Absolut. So oft wollen wir schnell über etwas hinwegkommen, noch schnell die morgendlichen körperenergetischen Übungen oder die kleine Yoga Sequenz machen oder Meditieren und landen dann vielleicht einfach im Tun, ohne wirklich mit uns in Verbindung zu sein.

 

Genau darauf hat mich kürzlich das Leben mal wieder sanft hingewiesen. Ich mache gerade Seminar mit, wo es um den Einsatz körperenergetischer Methoden im Kontext von Trauma geht. Da ich an dem Wochenende nicht live dabei sein konnte, habe ich mir die Aufzeichnung angeschaut. Und mein erster Impuls war, die Wiedergabegeschwindigkeit der Aufzeichnung zu erhöhen, damit ich den Stoff schneller mitbekomme.

 

Diesen Impuls zu Beschleunigen habe ich sehr bewusst wahrgenommen und mich entschieden, die Aufzeichnung in der ganz normalen Geschwindigkeit anzuschauen. Denn wenn ich live dabei gewesen wäre, dann hätte ich mich ja auch auf dieses Tempo eingelassen. Die technischen Errungenschaften unserer Zeit laden oft sehr ein, Dinge zu beschleunigen. Manchmal ist das großartig, aber es macht es um so wichtiger, sich immer wieder an  L a n g s a m k e i t  zu erinnern.

 

Im Moment sein bedeutet auch, in der Geschwindigkeit oder Langsamkeit des Momentes zu sein

 

Und so habe ich mich dafür entschieden, mich voll auf das Seminar einzulassen, mich auf die Zwischenräume einzulassen, die in unserem ganz normalen Sprechtempo entstehen können. Ich habe mir die Zeit geschenkt und meinem Körper und meinem ganzen System die Möglichkeit gegeben, mit dem Gesagten mitzuschwingen und es aufzunehmen.

 

Spannender Weise war das Thema Langsamkeit, oder sein eigenes Tempo zu finden tatsächlich auch Thema des Seminars. Bei der Anleitung einer körperenergetischen Übung zur Regulation des Nervensystems, die ich schon kannte, betonte die Referentin, dass wir uns zu erlauben sollen, sie Mal ganz langsam zu machen. Gerade weil ich die Übung schon kannte und weiß, wie ich sie morgens manchmal recht schnell mache, damit ich zwar meine Übungen gemacht habe, dann aber mit dem Tag weiter machen kann … war es großartig den Unterschied zu fühlen.

 

Es war so wohltuend, diese ganz simple Übung wirklich langsam zu machen und wahrzunehmen, wie viel mehr ich mich dabei spürte, als wenn ich es schnell machen. Manchmal kann es absolut richtig sein und genau das, was wir brauchen, wenn wir eine Übung schnell machen. Aber wenn wir vor allem, was wir tun, einfach ganz kurz innehalten, verlangsamen und hinspüren, welches Tempo wir im Moment brauchen, dann machen wir uns damit ein großartiges Geschenk. Das mag nicht immer gehen, aber alleine zu wissen, was unser Tempo eigentlich wäre ist kostbar.

 

So bin ich an drei wunderbare Dinge erinnert worden: wie kostbar Langsamkeit ist und wie wertvoll es ist, sich auch auf das ganz einzulassen, was wir schon kennen, denn vielleicht öffnet sich uns eine neue Türe, erfahren wir eine neue Facette des Bekannten. Und als Drittes bin ich an die Magie der Einfachheit, des ganz Simplen erinnert worden. Denn manchmal braucht es wirklich nicht viel und ist weniger mehr.

 

Langsamkeit als Türöffner zu unserem SEIN

 

Wir brauchen Momente der Langsamkeit und des Innehaltens, um uns wirklich zu spüren. In unserer Welt, die oft sehr schnell ist, ist es leicht, diese Momente zu überspringen oder zu vergessen. Dazu kommt, dass Langsamkeit manchmal auch abgewertet oder belächelt wird. So oft tragen wir auch unbewusst gesellschaftliche Konditionierungen in uns, die nur das Erreichen von Dingen, Erfolge und Leistung hochhalten und da hat Langsamkeit nicht viel Platz.

 

Langsamkeit ist eng verwoben mit dem Sein, dem stillen und zugleich lebendigen Sein, dem „ich bin“. Das sind stille und auch kraftvolle Worte. „Ich bin“, – das sind Worte, die auch Langsamkeit in sich tragen. Aus dieser Langsamkeit, aus dem stillen Kern des Seins können kreative, lebendige und schaffensfreudige Momente entspringen. In der Geschwindigkeit, im Tun können wir oft ganz leicht mitschwimmen uns manchmal auch davontragen lassen, weil diese Frequenz gesamtgesellschaftlich oft mehr unterstützt wird, als dieFrequenz der Langsamkeit. Aber dabei kann es passieren, dass wir uns verlieren und schlussendlich auspowern.

 

Geschwindigkeit, Tun, ein freudvoller Zustand von gutemStress kann ja auch sehr befriedigend sein. Doch das Leben ist nie nur eines, das Leben ist immer Ausdruck der ganzen Bandbreite des Seins. Und so bedarf es auch der Momente der ganz bewussten Langsamkeit, damit wir auftanken können, unsere Seele Sprit bekommt für die nächste Lebenswelle, die uns mitnimmt.

 

Langsamkeit wirft uns auf uns selbst zurück – das kann wunderschön, aber auch herausfordernd sein

 

Langsamkeit und Stille können aber auch herausfordernd sein. Denn wenn wir uns verlangsamen kann es sein, dass Gefühle hochkommen, die wir im Trubel des Tuns nicht fühlen. Außerdem sind wir ganz oft identifiziert mit dem, was wir tun – definieren unseren Wert über das, was wir schaffen und vielleicht auch, dass wir manches besonders schnell und effizient schaffen.

 

Durch die Verlangsamung kann es sein, dass wir uns erstmal ein wenig unwohl fühlen. Denn in der Langsamkeit kommt dein Wert aus dir selbst heraus, nicht über dein Tun oder deine Rolle in der Gesellschaft. Wenn du verlangsamst, gibst du nichts aktiv nach außen. Und über das Tun, das Geben verleihen wir unserem Sein oft Sinn. Langsamkeit lädt dich ein, deine Existenz, dein SEIN wahrzunehmen, ernst zu nehmen und als Wert an und für sich zu sehen. Du bist wertvoll, weil du BIST. Punkt.

 

Je nach dem, was für Erfahrungen wir in diesem Leben gemacht haben und wie wir auch in der ganz frühen Zeit geprägt wurden, kann es durchaus sein, dass wir gar nicht so recht wissen, dass wir wirklich wertvoll sind, einfach weil wir SIND, ohne unseren Platz in der Welt irgendwie anderweitig zu „verdienen“. Und so kann es herausfordernd sein, sich Momente der Langsamkeit zu schenken, weil wir damit auf Neuland stoßen, was durchaus irritierend sein kann und unangenehme Gefühle wecken kann.

 

Und auch hier kommt uns die Langsamkeit zur Hilfe, wir dürfen uns ihr ganz langsam, in Minischritten nähern und voller Neugierde hinschauen, was die Begegnung mit Langsamkeit so alles in uns hochbringt.

Jetzt lade ich dich ein, für einen Moment ganz bewusst langsam zu werden: 

Lege deine Hände rechts und links auf dein Gesicht, die Finger über der Schläfe. Tue das sanft oder fest, so wie es sich für dich gut anfühlt

Stell dir vor, du würdest deine Aufmerksamkeit verlangsamen und ganz sachte hinspüren, wie sich deine Hände an den Seiten deines Geschichts anfühlen.

Und jetzt atme einmal bewusst durch die Nase ein und dann durch den Mund aus, so, als würdest du ganz sanft eine Kerzenflamme einfach nur bewegen wollen.

Wenn du magst, kannst du noch ein paar Mal ganz bewusst ein und ausatmen und deine Hände am Gesicht spüren. Immer wieder kannst du dir vorstellen, wie du noch ein Stückhen langsamer wirst.

Und das war's schon.

 

Wenn du magst, kannst du dir diese kleine Übung zur Verlangsamung auch unten in dem Video anschauen.

Viel Freude damit!