12.11.2020

Imaginationsreisen – innere Orte zum Auftanken

Imaginationsreisen sind eine wunderbare Möglichkeit, dich auf eine innere, wohltuende Reise zu begeben. Es gibt eine ganze Bandbreite an Fantasiereisen. Je mehr dir die Bilder entsprechen und du die Reise zu deiner ganz eigenen machst, um so reicher und entspannender werden diese kurzen Auszeiten für dich sein. Es kann sein, dass du dich am Anfang ein bisschen dazu aufraffen musst, die Übung, die du dir ausgesucht hast, regelmäßig zu machen. Es hilft, sie für ein bis zwei Wochen möglichst täglich zu machen, damit du sie verinnerlichst. Aber schon nach recht kurzer Zeit wird dir allein der Gedanke an deine Imaginationsreise ein Lächeln auf dieLippen zaubern und schon das erzeugt  eine spürbare Entspannung im Körper. Vielleicht geschieht dies schon sehr schnell für dich, oder es dauert ein bisschen länger, aber es lohnt sich durchzuhalten!

Der Gedanke an einen „Schnappschuss“ aus deiner inneren Reise, kann dir in stressigen Situationen einen stärkenden Moment des Innehaltens bringen

Wenn du die Bilder, die Gerüche, die Geräusche, die du mit deiner inneren Reise verbindest verinnerlicht hast, dann genügt ein Bild aus deinem „Reisealbum“, um dir innereRuhe zu geben. Je nach dem, wie dein Leben ist und wie du auf deine einzigartige Weise bist, mag diese innere Ruhe nur kurz andauern oder auch etwas länger. Aber jeder Moment des inneren Aufatmens, des Loslassens, ist unglaublich wertvoll – und wenn es nur Augenblicke sind. Der Gedanke an ein Bild deiner Fantasiereise kann dir auch in Situationen dienen, in denen du gestresst bist. Vielleicht steht dir etwas bevor, das dich nervös macht, du hast aber nicht viel Zeit, dann schnapp dir einfach ein Gedankenfoto und atme ein paar Mal gleichmäßig und tief durch.

Hier geht’s zum Audiodownload „Imaginationsreise Baum“ (inspiriert von Luise Reddemann)

Wenn du dich im Netz oder auch in Büchern umgeschaut und dir einige Imaginationsreisen durchgelesen, bzw. angehört hast, dann nimm dir die heraus, die dich am meisten anspricht. Schau auch bei den Aufnahmen danach, was am besten für dich passt. Magst du Aufnahmen mit Hintergrundmusik? Hilft dir eine ganz sanfte, weiche Stimme oder magst du einen eher neutralen Tonfall? In meiner Erfahrung ist es hilfreich, anfangs eine Sprachaufnahme der Imaginationsreise zu haben. So brauchst du dir keinen Stress machen, ob du auch an alles denkst und du kannst den groben Ablauf der Reise verinnerlichen, so dass du ihn später mit Leichtigkeit für deine Bedürfnisse abwandeln kannst.Vielleicht ist in einer Übung mit Bäumen von einer Buche die Rede, die am Waldrand steht, du magst aber lieber eine Birke, die allein für sich steht, dann kannst du das entsprechend für dich ändern. Wenn du eine Übung erst einmal komplett erfasst hast, kannst du die Grundkomponenten variieren. An einem kalten Wintertag ist dir vielleicht die Vorstellung der wärmenden Sonne und einer lauen Brise am liebsten. Wenn du im Hochsommer mit der Hitze zu ringen hast, kannst du den Wind erfrischender machen und vielleicht kommst du an einem kühlenden Bach vorbei, in den du deine Füße halten kannst … Du siehst, deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Die Kraft und Magie der Fantasie ist einwunderbarer Motor für Kreativität und spielerisches Sein

Imaginationsreisen sind nicht wirklich etwas Neues. Vielleicht erinnerst du dich an deine Kindheit, wo du dich an schöne Orte geträumt hast? Vielleicht hattest du auch Freunde oder Helfer in deiner Fantasiewelt, die in schwierigen Momenten für dich da waren? Kinder bewegen sich meistens auf ganz natürliche Weise in der Fantasiewelt. Erwachsene können diese Leichtigkeit verlieren, wenn Disziplin und Rationalität in den Vordergrund des Alltags rücken. Doch beides hat seinen Platz, beides ist wichtig. Auf jeden Fall lade ich dich ein, dich deiner inneren Fantasiewelt wieder zu öffnen, falls sie in Vergessenheit geraten sein sollte. Vielleicht fallen dir sogar wieder alte Geschichten ein, in die du dich als Kind hinein geträumt hast?

Fantasiereisen und geleitete Meditationen werden heute auch oft im therapeutischen Kontext genutzt. Gerade in der Arbeit mit Menschen, die durch tiefgreifende Erfahrungen sozusagen auf wackeligem Boden stehen, können Imaginationsreisen eine stabilisierende Ressource sein. Die Gewissheit, sich innerlich an einen sicheren Ort begeben zu können oder einen Ort der Ruhe, ist in therapeutischen aber auch in ganz normalen Alltagssituationen hilfreich, um sich den Dingen stellen zu können, die sich unangenehm anfühlen oder stressig sind.

Vorgestellte und real erlebteSituationen lösen die gleichen körperlichen und emotionalen Reaktionen aus

Warum funktionieren solche Fantasiereisen eigentlich so gut? Die Neurobiologie hat inzwischen zeigen können, dass vorgestellte Ereignisse in unserem Gehirn die gleichen Nervenverbindungen aktivieren wie reale Ereignisse und auch mit der fast gleichen Intensität. Wenn du dir also einen Ort vorstellst, der dich stärkt, der dir Sicherheit gibt oder Entspannung, so wird sich diese Vorstellung auf dein Nervensystem und damit auf deinen Körper übertragen und spürbar werden.Vielleicht merkst du es nicht gleich, aber wenn du deine Aufmerksamkeit auf deinen Körper lenkst, wirst du eventuell ein angenehmes Kribbeln, Wärme oder ein anderes wohltuendes Körpergefühl wahrnehmen. Probiere es einfach aus.

Es geht nicht darum, eine Fantasiereise perfekt zu meistern, sondern darum, dir auf achtsame Weise Raum zum Auftanken zu geben

Achtsamkeit ist bei Imaginationsreisen ganz wichtig. Eigentlich ist sie ja immer wichtig, aber das ist bekanntlich nicht so leicht. Es geht um dich und wenn du merkst, dass du dich gar nicht so einfach auf die Übung konzentrieren kannst und deine Gedanken plötzlich noch turbulenter durch die Gegend sausen, dann sei bitte nicht hart mit dir. Zur Ruhe kommen kann manchmal dazu führen, dass dir erst erstmal der innere „Lärmpegel“ bewusst wird. Wow – unglaublich, was da manchmal so vor sich geht, wie viel Raum da tatsächlich in dir ist für unendlich viele Gedanken! Ziel einer Imaginationsreise ist es nicht, diese gleich perfekt zu beherrschen und dann voller Ruhe und Gelassenheit für den Rest des Tages daraus hervorzugehen:). Nein, Ziel ist es, dir Zeit für dich zu nehmen. Und wenn du zu Beginn bemerkst, wie viel dir durch den Kopf geht oder dass Stillsitzen dich ganz unruhig macht, dann ist das einfach etwas, was du über dich lernst. Versuche es nicht zu verurteilen oder bemerke den verurteilenden Gedanken einfach und lass ihn weiterziehen.

Alle deine Reaktionen auf eine Imaginationsreise sind völlig in Ordnung und gut – denn es sind deine Reaktionen

Wenn du merken solltest, dass eine Übung starke Gefühle oder  Unruhe in dir hochbringt, dann sei auch da liebevoll mit dir und schau, wie weit du gehen möchtest. Vielleicht sind Imaginationsübungen, wenn du sie alleine für dich machst, einfach gerade nichts für dich. Manchmal nämlich kann unser geschäftiges Leben unbewusst dabei helfen, bestimmte Dinge nicht fühlen zu müssen, die wir irgendwann einmal aus guten Gründen zur Seite geschoben haben. In solchen Situationen kannst du für dich sorgen und sagen: „Nein, da will oder kann ich gerade nicht hin“, oder du kannst schauen, ob du dich alleine oder vielleicht mit Unterstützung gewissen Gefühlen öffnen möchtest, die sonst vom Alltag überlagert werden. Warum ich das alles sage? Für den Fall, dass Imaginationsübungen dir nicht gefallen oder dir sogar unangenehm sind, möchte ich, dass du weißt, dass auch das eine ganz normale Reaktion ist. Nur weil Fantasiereisen für manche hilfreich sind, müssen sie es nicht für dich sein – weil jeder einzigartig ist und unterschiedliche Bedürfnisse hat.

Für den Einstieg in die Welt der Fantasiereisen kann es hilfreich sein, einer Anleitung zu folgen

Falls du Lust darauf bekommen hast, eine Fantasiereise mal auszuprobieren: Ich habe eine Aufnahme von einer Baumreise gemacht, die du dir herunterladen kannst. Inspiriert hat mich die Baumübung von Luise Reddemann in ihrem Buch „Imagination als heilsame Kraft – Zur Behandlung von Traumafolgen mit ressourcenorientierten Verfahren“.  

Wenn du die Baumübung machst, dann schau, dass dich keiner stört und du bequem sitzt oder liegst. Überprüfe auch, ob es dir mit geschlossenen oder halboffenen Augen besser geht. Sobald du die Übung gut verinnerlicht hast, kannst du sie auch in der Mittagspause auf einer Parkbank machen, oder du rufst dir nur kurz ein paar Schnappschüsse ins Gedächtnis. Die Übung lädt dazu ein, dir vorzustellen, wie es wäre, selbst zum Baum zu werden. Falls dir das nicht gefällt, kannst du dich in deiner Vorstellung auch einfach an den Baum anlehnen oder davor sitzen bleiben und dann dem weiteren Verlauf der inneren Reise folgen.

Jede innere Reise ist einzigartig und du kannst wählen, welcher Baum dir am meisten entspricht

Auch die Art des Baumes kannst du dir aussuchen. Ich spreche in der Aufnahme vom Baum und du entscheidest dann, ob es eine Buche, Birke, Eiche, Lerche oder ein ganz anderer Baum ist. Steht dein Baum alleine auf einem Hügel, oder ist er am Waldrand, umgeben von anderenBäumen? Ist dein Baum groß und kräftig, so dass du ihn mit deinen Armen nichtganz umfassen könntest? Oder ist dein Baum auf zarte und flexible Weise kräftig und du kannst seinen Stamm ganz leicht mit deinen Armen umfassen? Ist das Blattwerk frühlingshaft, sommerlich oder herbstlich bunt? Riechst du das Harz deines Baumes? Oder ist es die umgebende Wiese die du riechst? Was hörst du – Vogelgezwitscher, das leise Summen von Insekten? Und wie fühlt sich der Wind oder die Sonne in deiner Fantasiewelt an?

Wenn du dich also zu deinem inneren Baum begibst, so wünsche ich dir ein freudvolles Erforschen und eine gute Reise!