8.4.2022

Hoffnung – Kraftspender oder Krücke?

Hoffnung, das kann uns ein Licht sein, das kann Kraftspender sein, kann uns innerlich aufrichten, uns durchfluten mit einem warmen Gefühl. Und Hoffnung kann auch als Krücke benutzt werden, die uns davon abhält in unsere eigene Kraft zu kommen.

„Hoffnung ist eine Leidenschaft für das, was möglich ist." Søren Kirkegaard

In diesen Worten Kirkegaards liegt für mich eine Kraft, vermittelt sich die Strahlkraft und das Licht von Hoffnung. Diese Art der Hoffnung sieht einen gepflasterten Hof und weiß um die lebendige Möglichkeit, dass sich irgendwann durch einen Spalt eine Pflanze ihren Weg bahnt.

Nun aber erstmal zu meinen Bedenken bei dem Thema Hoffnung. Manchmal schwingt bei diesem Wort eine darunter liegende Angst mit, die Sorge, dass etwas nicht gut ausgehen könnte. Wenn diese manchmal unbewusste Angst uns lenkt, dann müssen wir sozusagen hoffen, dass doch alles gut geht. Dann ist es aber eher die Sorge, die sich in der Hoffnung ausdrückt, in ihr mitschwingt. In diesem Fall ist das Hoffen eher so etwas wie der letzte Strohhalm an den wir uns klammern. Er mag zwar ein wenig schimmern trägt uns aber doch nicht wirklich, stärkt uns nicht. Wenn wir uns zu sehr auf das Hoffen verlassen, kann es auch sein, dass wir die Eigenverantwortung, die Selbstermächtigung aus der Hand geben. Statt konkret Dinge zu ändern, hoffen wir dann nur still und leise. Hier würde Benjamin Franklins Zitat passen „Derjenige, der von der Hoffnung lebt, läuft Gefahr, zu verhungern.“

Hoffnung können wir auch nutzen, um etwas nicht fühlen zu müssen.

Wir können Hoffnung auch nutzen, um etwas bestimmtes nicht zu fühlen. Wie etwa nach einer Trennung, wenn wir uns an der Hoffnung festhalten, dass vielleicht doch wieder etwas wird. Diese Art des Hoffens ist ein Pflaster. Für eine bestimmte Zeit mag ein Pflaster hilfreich sein, als erster Schutz, damit der Heilungsprozess beginnen kann. Wenn ein Pflaster aber zu lange auf einer Wunde ist und vielleicht auch noch ziemlich luftdicht abschließt, so ist es nicht mehr Schutz und Hilfe, sondern es führt dazu, dass die Wunde vielleicht zu wässern beginnt und der begonnene Heilungsprozess sich nicht fortsetzen kann.

Um eine Trennung wirklich verarbeiten zu können, müssen wir das Pflaster der Hoffnung abnehmen. Erst dann können wir wirklich einen Abschluss finden, können in den Trauerprozess gehen und so das Geschehen verarbeiten. Trauer und Betrauern sind schlussendlich sehr heilsame Gefühle, auch wenn sie sich nicht angenehm anfühlen. Sie ehren das Gewesene und schaffen Raum fürNeues, wenn es dann an der Zeit ist.

WennHoffnung neue Räume öffnet und uns trägt, dann ist sie wie Hefe im Brot, das dem Teig hilft aufzugehen

Wenn Hoffnung aber, wie in Kirkegaards Worten die Leidenschaft für das ist, was möglich ist, dann öffnet das einen Raum, dann ist Hoffnung eher so etwas wie Optimismus und freudig leidenschaftliche Offenheit für die Fülle des Seins. In diesem Sinne ist Hoffnung wie die Hefe im Brot, die dabei hilft, dass der Teig aufgeht, gekoppelt an ein Vertrauen, eine positive Einstellung dass alles möglich ist. Dann ist Hoffnung beflügelnd für das, was wir tun und öffnet einen weiten Raum der Möglichkeiten.

Vielleicht noch ein Beispiel: Wenn wir uns ärgern, dass die kleinste Kritik unseres Partners uns sofort in den Rückzug oder in Wut katapultiert und wir uns dann denken „ich hoffe so sehr, dass sich da etwas verändert", dann istHoffnung in diesem Beispiel eher kraftlos. Dann ruhen wir uns auf der Hoffnung aus, dass sich etwas ändern möge, ohne wirklich ins Tun zu kommen.

Wenn wir Verantwortung für uns übernehmen, so eröffnet Hoffnung neue Räume

Wenn wir aber beginnen herauszufinden, warum Kritik für uns so herausfordernd ist und wir Wege finden, wie uns Kritik nicht mehr so aus der Bahn wirft, dann ist ein erster, ganz wichtiger Schritt getan. Und von diesem Platz aus kann Hoffnung dazu kommen, als leidenschaftliche Prise für alles, was möglich ist. Dann können wir unsere Schritte gehen und machen mit dieser Art Hoffnung den Raum weit für unsere Entwicklung.

Mein Fazit ist, dass Hoffnung etwas unglaublich kostbares ist, vor allem wenn sie nicht „die Überzeugung (ist), dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht“, wie Vàclav Havel es so schön sagte.  Auf diese Weise kann uns Hoffnung im Leben begleiten, können wir uns auch bewusst Zeit nehmen, sie in uns zu fühlen, und zu kultivieren. Das Bild des Sonnenaufgangs vermittelt das Gefühl der Hoffnung besonders schön, der neue Tag, der anbricht, mit all seinen Möglichkeiten. Wenn wir uns langsam durchfluten lassen von diesem Bild für Hoffnung, von der Wärme der Sonne, dem prachtvollen Farbspiel des Himmels, dann zaubert sie vielleicht ein Lächeln auf unsere Lippen und gibt unsKraft für unseren Tag.

„Hoffnung ist das gefiederte Ding, das sich in der Seele niederlässt und die Melodie ohne Worte singt und niemals aufhört.“ Emily Dickinson